Berlin Science Week 2022
Berlin Science Week turned the city into a laboratory for social dialogue
Wie lässt sich der Bereich Tourismus und Veranstaltungswitschaft mit der Idee einer nachhaltigen Stadt der kurzen Wege vereinbaren? Wo steht Berlin aktuell? Diese und weitere Fragen haben wir Dr. Stefan Carsten im Interview gefragt.
Die Mobilität im Rahmen von Veranstaltungen macht aktuell noch 70 Prozent der Emissionsquellen einer typischen Veranstaltung aus. (Quelle: atmosfair). Davon sind zwar nicht alle Emissionen, aber auf jeden Fall einige, vermeid- und reduzierbar. Die Mobilitätswende und das Konzept der 15-Minuten-Stadt spielen dabei eine wichtige Rolle.
Und auch bei der Veranstaltungsplanung müssen diese Konzepte mitgedacht und berücksichtigt werden. Kann ich meinen Gäst:innen Alternativen zum klassischen Taxi anbieten? Wie mache ich ein niedrigschwelliges Angebot zur ÖPNV-Nutzung möglich? Haben die Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, Nachhaltigkeitszertifikate?
Wir haben mit Dr. Stefan Carsten (Zukunftsforscher und Experte für die Megatrends Mobilität und Urbanisierung) gesprochen, um herauszufinden, wie sich der Bereich Tourismus und Veranstaltungen mit der Idee einer Stadt der kurzen Wege vereinbaren lässt und wo Berlin aktuell steht.
Stefan, du beschäftigst Dich mit der Transformation von Mobilitätsräumen in der Stadt.
„Heute bestehen 60 Prozent des öffentlichen Raumes aus Autostraßen und Parkplätzen. Im Zuge der Transformation zu einer wissensbasierten Gesellschaft brauchen wir aber Räume für Menschen, die für mehr Nachhaltigkeit, Kommunikation und Gesundheit stehen. Dies sind attraktive Räume für die Wirtschaft und die Gesellschaft, genauso wie für Tourist:innen und für Investor:innen. In diesem Sinne werden sich neue Räume für Mobilität entwickeln: für Radfahrer:innen, Fußgänger:innen und den öffentlichen Verkehr genauso wie für *Mikromobilität.“
(*Mikromobilität ist die Fortbewegung mit elektrisch motorisierten sowie nicht motorisierten Kleinst- und Leichtfahrzeugen, auch Elektrokleinstfahrzeuge genannt. – Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH, 2021)
„Die Zeiten des Massentourismus sind genauso vorbei wie die unreflektierte, unkritische Mobilität. Tourismus wird somit achtsamer und authentischer. Menschen wollen die Städte erkunden und nicht nur die Orte des Tourismus. Für Berlin bedeutet das weniger Ku’damm und vielmehr Nachbarschaften.
Dafür braucht es Mobilität, die an jedem Ort zur Verfügung steht: Scooter, Fahrräder, Mopeds genauso wie Carsharing und natürlich ÖPNV. Gerade der ÖPNV muss aber lernen, dass Tourist:innen sich nicht vor einen Fahrkartenautomaten stellen wollen. Jedes Hotel, jede AirBnB-Buchung muss ein integriertes Mobilitätsangebot und -paket enthalten.“
„Wir müssen zuallererst aufhören damit zu werben, dass Parkplätze ausreichend zur Verfügung stehen. Stattdessen braucht es Slogans, wie: "Nutzen Sie das integrierte Mobilitätsangebot von Jelbi um anzureisen. Die Jelbi-App finden Sie hier…“.
Gleichzeitig sollte jeder Veranstaltungsort eine Mobilitätsstation anbieten, in der ausreichend Fahrräder, Scooter oder Ladestationen zur Verfügung stehen. Diese temporären Stationen können nach der Veranstaltung sofort wieder abgebaut werden oder sie bleiben vor Ort als permanentes Angebot. Das heißt, der Slogan wird sogar noch erweitert: "Nutzen Sie nicht nur Jelbi, sondern auch die Jelbi Mobilitätsstation direkt im/am Veranstaltungsort“.“
Jelbi ist Berlins Mobilitäts-App für ÖPNV und Sharing-Angebote. Über Jelbi lassen sich PKWs, E-Roller, Fahrräder, E-Scooter, Taxis und Tickets für den ÖPNV buchen.
Noch mehr Tipps für einen Nachhaltigen Aufenthalt in Berlin gibt es hier.
„Ab 2023 muss jedes Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen in Europa nach den ESG-Kriterien zertifiziert sein. Es muss also einen Nachweis erbringen, wie ökologisch (Ecology), sozial (Social) und wie die Unternehmensführung in Bezug auf Nachhaltigkeit (Governance) ausgerichtet ist. Dieser ESG-Nachweis sollte ab sofort für alle handelnden Unternehmen und Organisationen im Sinne einer Selbstverpflichtung zum Standard werden.
Dies gilt vor allem für Veranstaltungen. Mit welchen Unternehmen möchte ich zukünftig zusammenarbeiten? Natürlich sind das im Sinne der Zertifizierung Unternehmen, die mindestens Elektromobilität als Standard haben, die eine hohe Zufriedenheit und Partizipation der Mitarbeitenden gewährleisten und die eine:n Nachhaltigkeitsbeauftragte:n installiert haben.“
„Die *15-Minuten-Stadt sieht vor, dass alle urbanen Funktionen wie Gesundheitsversorgung, Bildungseinrichtungen, die öffentliche Verwaltung, Wohnen, Arbeiten und Erholungsräume innerhalb von 15 Minuten mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erreichen sind.
Und eben nicht nur in der Innenstadt, wo dies in der Regel ohne Probleme möglich ist, sondern vor allem am Stadtrand und im suburbanen Raum. Dafür darf es keine homogenen Räume mehr geben, sondern Multifunktionalität überall. Durchmischung und Dezentralität werden zum planerischen Leitbild.“
*Die Idee der 15-Minuten-Stadt stammt von Prof. Carlos Moreno, er ist Leiter des Institut ETI – Entrepreneuriat, Territoire, Innovation – an der Sorbonne in Paris, welches die Zusammenhänge zwischen geografischem Umfeld und unternehmerischen Handeln untersucht.
„Berlin ist per se eine dezentrale Stadt, die eine Vielzahl von alten Dorfzentren besitzt. Jedes dieser Zentren muss im Zuge der 15-Minuten-Stadt neu gedacht werden und sich zum neuen planerischen Zentrum entwickelt haben. Dafür hat Berlin großartige Möglichkeiten.
Ein positiver Impact der 15-Minuten-Stadt: der Autoverkehr auf den Straßen nimmt drastisch ab und Straßen können bevorzugt von Fußgänger:innen und Fahrradfahrer:innen genutzt werden, der Verkehrslärm geht zurück und die Luft- und somit die Lebensqualität der Stadtbewohner:innen steigt.
So sieht ein Zukunftsszenario aus, auf das immer mehr Großstädte hinarbeiten – darunter Paris, Wien, Hamburg, Madrid und eben auch Berlin.“
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Berlin auf einem guten Weg ist und beste Voraussetzungen bietet, um eine nachhaltige Mobilitätswende voranzutreiben und umzusetzen – auch im Rahmen von Veranstaltungen.
Denn all das sind wichtige Faktoren, die zukünftige, nachhaltige Mobilitätswende zu unterstützen.
Übrigens: Auch wir arbeiten aktiv an dem Thema „15-Minuten-Stadt“ und der Mobilität der Zukunft. Mit unseren Berlin Meeting Campus fassen wir einzelne, geografisch nah beieinander liegende Locations und Hotels in pulsierenden Quartieren Berlins zusammen und machen sie als dezentrales Kongresszentrum buchbar. Die Stadt wird zur Bühne und es entstehen neue Möglichkeiten für Interaktion und Networking.
Somit können alle Anforderungen für Ihren Kongress, Ihre Tagung oder Großveranstaltung in Berlin abgedeckt, Teilnehmende begeistert und gleichzeitig Wege verkürzt werden. Das sind sowohl ökologisch als auch ökonomisch relevante Faktoren, für die Veranstaltungsplanung der Zukunft. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Hier geht es zu unseren individuell zusammenstellbaren Berlin Meeting Campus.
Dr. Stefan Carsten ist Zukunftsforscher und Stadtgeograph. Er war Projektleiter in der Zukunfts- und Umfeldforschung der Daimler AG in Berlin und konzipierte dort neue Mobilitätsdienste wie car2go und moovel. Aktuell ist er u.a. Beirat des Bundesverkehrsministeriums für "Strategische Leitlinien des ÖPNVs in Deutschland“, des Reallabors Radbahn in Berlin und Gestaltungsbeirat bei der Howoge. Seit 2019 veröffentlicht er in Kooperation mit dem Zukunftsinstitut den Mobility Report. Er arbeitet mit diversen Akteur:innen der Mobilitätswelt im In- und Ausland zusammen: mit der Fahrradbranche, ÖPNV-Unternehmen, der Automobilindustrie sowie Städten und Gemeinden. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt und arbeitet in Berlin.
Vielen Dank für das Interview!
Sie planen eine Veranstaltung in Berlin? Wir stehen Ihnen gerne zur Seite!
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