Berliner Wissenschaftskongresse: 10 Jahre World Health Summit
Zusammenfassung des Blogbeitrags
In unserer Reihe ‘Berliner Wissenschaftskongresse’ gewähren Experten Einblick in ihre Arbeit und erklären, warum Berlin als Veranstaltungsort für Meetings, Tagungen und Kongresse attraktiv ist. Teil II: Prof. Dr. Detlev Ganten.
Er gehört zu den führenden Wissenschaftsköpfen weltweit, ist Träger des Berliner Verdienstordens und des Bundesverdienstkreuzes, erhielt mehrere Ehrendoktorhüte sowie zahlreiche internationale Auszeichnungen für seine Forschungsarbeit. Und: Er macht Berlin jährlich zur Schnittstelle für die globalen Anstrengungen, das Wohlergehen der Menschheit zu verbessern. Prof. Dr. Detlev Ganten lebt, arbeitet und forscht seit 1991 in Berlin.
2009 gründete der renommierte Pharmakologe und Molekularmediziner den World Health Summit, um mit Experten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aus 100 Ländern weltweite Gesundheitsfragen zu diskutieren. In diesem Jahr feiert der Gesundheitskongress unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Präsident Jean Claude Juncker sein zehnjähriges Bestehen.
Wir sprachen mit dem Gründer und Präsidenten über die Bedeutung Berlins als Wissenschaftsstandort und Kongressmetropole.
World Health Summit
Prof. Detlev Ganten, Gründungspräsident des World Health Summit
Herr Prof. Ganten, wann und wie haben Sie Berlin kennengelernt?
Ich kam am 5. September 1991 nach Berlin. Diesen Tag vergesse ich nie wieder. Bis dahin lebte ich ganz beschaulich als Wissenschaftler in Heidelberg. Plötzlich kam die Wiedervereinigung und mit ihr eine Managementaufgabe, von der ich nicht zu träumen gewagt hätte – ich durfte als Gründungsdirektor die Leitung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch übernehmen, welches aus den Instituten der Akademie der Wissenschaften der DDR entstanden ist. Vor der Wiedervereinigung war Berlin für mich weitgehend unbekannt und als Wissenschaftsstadt nicht besonders attraktiv.
Wie hat sich Berlin seitdem für Sie verändert?
Die meisten Menschen dachten bei Berlin noch an die Nazizeit, an Kaiser Wilhelm und Pickelhauben. Heute, fast 30 Jahre später, kann ich sagen: Alles hat sich geändert! Berlin ist die einzige Stadt in Deutschland – vielleicht sogar weltweit – in der es jetzt nicht mehr so ist, wie es vor 25 Jahren einmal war. Berlin hat sich nach der Wiedervereinigung auf allen Ebenen unglaublich verändert: politisch, wissenschaftlich und institutionell.
Was macht Berlin heute zur Wissenschaftsstadt?
Berlin hat eine großartige wissenschaftliche Tradition. Auch darum war es möglich, dass Berlin so schnell wieder eine internationale Stadt der Wissenschaft geworden ist und die Stadt für große Kommunikation zwischen den Nationen – ein „melting pot“ wie früher New York. Berlin ist attraktiv für junge Leute und offen für neue Ideen und daher besonders relevant für Wissenschaftler und Künstler. Ein sympathisches Chaos und Unberechenbarkeit in der Stadt lassen viel Raum für Kreativität und Vielfalt. In Berlin sind heute zahlreiche wissenschaftliche Einrichtungen, Universitäten und Fachhochschulen zu Hause sowie etwa 80 außeruniversitäre Institute, welche die besten Leute aus aller Welt anziehen. Es gibt nicht viele Städte weltweit, die diesem hohen Niveau im Ausbildungsbereich standhalten können. Zudem ist Berlin flächenmäßig groß mit viel Raum für Start-Ups, Wissenschaft, Kunst und ganz neue, kreative Projekte.
… und für wissenschaftliche Kongresse. Ist der World Health Summit ein Erfolgsbeispiel?
Schon im Gründungsjahr 2009 war der Kongress so erfolgreich, dass die Bundeskanzlerin, der französische Staatspräsident und Organisationen wie die World Health Organization WHO eingestiegen sind. Mit inzwischen über 2.000 Teilnehmern aus 100 Ländern war die Entwicklung über die letzten zehn Jahre rasant. Heute ist der World Health Summit die führende Plattform für globale Gesundheitsfragen mit zusätzlichen Experten-Meetings rund um die Welt und Einfluss auf die Politik – einschließlich der Agenda der G7/G8- und G20- Summits. Also ja, er ist ein Erfolgsbeispiel!
World Health Summit / S. Kugler
World Health Summit Night
Was unterscheidet die Konferenz von anderen medizinischen Kongressen?
Der World Health Summit ist kein klassischer Medizinkongress, sondern ein ganzheitlicher, holistischer Gesundheitskongress und genau deshalb so erfolgreich, weil er inhaltlich und strukturell die Gesundheit in den Vordergrund stellt – und zwar weltweit. Hier geht es um Umwelt, Klima, Verhalten, Ernährung, Städtebau, Infrastruktur und vieles mehr und nicht nur um Medizin. Wenn Gesundheitsprobleme national und international auftreten, wie zum Beispiel Ebola oder Vogelgrippe, brauchen wir natürlich auch die Medizin und Impfungen, aber nicht nur. Wir müssen diese Bereiche mit der Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und der Industrie zusammenzuführen. Das hatte es bisher so nicht gegeben und ist sozusagen der große Wurf des World Health Summit als einmalige und umfassende Veranstaltung dieser Art.
Welche Rolle spielt Berlin für den Erfolg einer solchen Veranstaltung?
Berlin ist ein super Ort dafür – aus verschiedenen Gründen: Zum einen, weil die Leute gerne nach Berlin kommen und in Berlin eine offene, herzliche Atmosphäre spüren. Durch die vielen Side Events und Museen ist Berlin über jede Veranstaltung hinaus einen Besuch wert. Außerdem: Wenn Deutschland, dann Berlin. Berlin ist Bundeshauptstadt, hier ist parteiübergreifend die Politik zu Hause und damit auch globale Fragen der Gesundheitspolitik. Berlin ist ein Fenster in die Welt, wo die Organisation von Veranstaltungen reibungslos funktioniert, wo Fachleute für jedes Thema ansprechbar sind, wo es keine Probleme mit Visa gibt, wo professionelle Unterstützung geboten ist – zum Beispiel durch visitBerlin – und wo ein Programm sorgfältig auf hohem Niveau erarbeitet wird – nicht zuletzt durch die gute Zusammenarbeit mit einer international bekannten und weltweit renommierten Institutionen wie der Charité.
visitBerlin, Foto: Jan Frontzek
Charité Universitätsmedizin in Berlin Mitte
Also sind die Hauptstadt, ihre Institutionen und Akteure wichtige Partner?
Ja, in Berlin sind hervorragende, erfahrene Partner und Locations für Kongresse und andere Events vielfach präsent. Man fühlt sich auch als Organisator willkommen und professionell unterstützt. Wenn unsere Gäste in Tegel landen, dann hängt da ein Welcome-Plakat zum World Health Summit – das ist emotional wichtig. Genauso wie die Side Events und Meetings über den Kongress hinaus. All das passiert in ganz enger Verbindung mit Berlin und visitBerlin. Wir und die Besucher haben auch ein großes Interesse daran, dass der Kongress nicht hinter verschlossen Türen abläuft, sondern, dass Berlin daran teilnimmt. Im Kosmos und darüber hinaus.
Warum das Kosmos?
Die Räume der Charité und später dasAuswärtige Amt waren schnell zu klein und wir wollten etwas, wo die Interaktion und die Kommunikation leichter fallen und alles näher beisammen ist. Wenn das Humboldt Forum fertig ist, würden wir gerne auch den World Health Summit um das neue Schloss herum organisieren. Es soll dort eine Art Campus entstehen in enger Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität, dem Auswärtigen Amt und der ESMT. Hier sind wir schon im Gespräch. Das wird ein sehr attraktiver Campus für Meetings unterschiedlicher Art in der Mitte der Stadt.
Welche Pläne und Ziele gibt es außerdem für die Zukunft – wo geht die Reise hin?
Uns geht es nicht darum, mit dem World Health Summit quantitativ von 2.000 auf 10.000 Teilnehmer schnell zu wachsen. Es geht viel mehr darum, den persönlichen Kontakt zu pflegen, immer aktuell zu bleiben, die Hand am Puls zu haben. Der Zusammenschluss der „M8 Alliance of Academic Health Centers, Universities and National Academies“ als wichtiger „Think Tank“ und die weltweiten „WHS Regional Meetings“ und „WHS Expert Meetings“ funktionieren wunderbar. Dabei lernt jeder etwas, Netzwerke entstehen, Kontakte werden geknüpft, die so sonst nicht entstehen würden – zum Beispiel für manche NGOs, die oft Berührungsängste mit Industrie und Politik haben. Darauf liegt der Fokus. Und auf der Förderung von jungen Leuten wie beispielsweise durch das „New Voices in Global Health“-Programm oder das „Young Physician Leaders“-Programm mit der ESMT.
Welche Themen gehören in Zukunft unbedingt auf die Agenda eines Gesundheitskongresses?
Gute Frage. Natürlich gehören Standardthemen wie Infektionskrankheiten und Nicht-infektiöse Krankheiten, also Übergewicht, Diabetes, Herzkreislauf-Erkrankungen, alternde Bevölkerung oder mentale Gesundheit sowie die Bezahlbarkeit von Gesundheit auf die Agenda. Einer der wichtigsten Parameter für Weltgesundheit ist jedoch Bildung. Gebildete Leute achten auf ihre Gesundheit und auf die der anderen. Mütter und Familien sowie soziale Determinanten spielen dabei eine entscheidende Rolle. Diese Faktoren und besonders den Bildungsaspekt haben wir zunehmend im Blick.
Kann Berlin ein Faktor für die Weltgesundheit sein?
Ja, gemeinsam mit Burkhard Kieker von visitBerlinhaben wir uns im Rahmen der Q Berlin Questions auch der Frage gewidmet: Wohin geht die Welt? Klar ist: Das Wohlergehen der Menschheit steht im Mittelpunkt und geht weit über Gesundheitsfragen hinaus. Wir wollen dafür einen Dialog der Kulturen und der Religionen stimulieren. Wir wollen originelle Vordenker in die Stadt holen. Unser spezifischer Beitrag dabei ist: Nehmt Gesundheit als einen Punkt, der jeden einzelnen persönlich betrifft und der alle interessiert, um in den Dialog zu treten. Und Berlin ist mit dem Humboldt Forum und dem Campus-Gedanken die ideale, interkulturelle Schnittstelle dafür. Einen wichtigen Rahmen für diese holistische Herangehensweise bieten wiederum die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen.
visitBerlin, Foto: Uwe Steinert
Konferenz Q Berlin Questions im Schiller Theater, 2017
Zum Schluss ein Blick in die Glaskugel: Wie sieht der WHS in zehn Jahren aus?
Im Oktober 2028 kommen tausende von Fachleuten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft aus aller Welt zum World Health Summit in die Gesundheitsstadt Berlin, dem Mekka für alle, denen gemeinsam die Verbesserung der globalen Gesundheit am Herzen liegt. So, wie es vor rund 100 Jahren schon einmal war – zu Zeiten von Robert Koch, Emil von Behring, Paul Ehrlich oder Rudolf Virchow. Die Charité, das Max Delbrück Centrum für Molekulare Medizin (MDC), das Berliner Institut für Gesundheitsforschung und die anderen Forschungsinstitute sowie die Berliner Universitäten gehen in Zukunft mit der Überzeugung voran, dass Wissenschaftler eine Verantwortung haben, ihre Ergebnisse in bessere Gesundheit zu übertragen. Denn Gesundheit ist ein Menschenrecht für alle auf dieser Welt.
Deutschland und die Hauptstadt Berlin präsentieren sich dabei als ein Land, das in seiner Geschichte den Anlass gab, sich weltweit für moderne, humanitäre Projekte einzusetzen. Pickelhauben war einmal. Im Zentrum der Stadt, mit dem Humboldt Forum als Mittelpunkt, trifft sich die Welt in zehn Jahren mit der Frage, ob wir die Agenda 2030 und die Erreichung der SDGs alle mit der nötigen Energie vorangetrieben haben und unserer Verantwortung für nachfolgende Generationen gerecht geworden sind. Wenn wir alle unsere Energie und tollen Möglichkeiten einsetzen, sind wir in zehn Jahren deutlich vorangekommen.
Danke: Wir danken Prof. Dr. Detlev Ganten für das Gespräch!
Neugierig?
Nutzen Sie das Know-How über Locations und Servicepartner sowie das große Netzwerk unseres Teams! Wir helfen Ihnen bei der Planung und Umsetzung und bringen Sie mit Veranstaltungspartnern und Wissenschaftsexperten unserer Stadt zusammen. Egal ob Tagung, Kongress, Meeting oder Incentive, schreiben Sie an: convention@visitBerlin.de oder stöbern Sie schon einmal nach der passenden Location im Meeting Guide Berlin.
Prof. Dr. Ganten – zur Person:
Gründer (2009) undPräsident des World Health Summit
Facharzt für Pharmakologie und Molekulare Medizin
weltweit führender Wissenschaftler auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Nach seinem Medizinstudium in Würzburg, Montpellier und Tübingen forschte Ganten mehrere Jahre an der McGill Universität in Montreal (Kanada) und wurde 1973 Professor für Pharmakologie an der Universität Heidelberg.
1991 wurde er als Gründungsdirektor und Vorstand des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) nach Berlin berufen und war später u.a. Vorstandsvorsitzender der Charité-Universitätsmedizin Berlin (2004-2008).
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